Welche Therapieoptionen gibt es?
So unterschiedlich angeborene Immundefekte sind, haben sie doch meist eine ähnliche Auswirkung: Der Körper kann Infektionen nicht effektiv bekämpfen, da die Immunabwehr nicht richtig funktioniert.
Die Behandlung angeborener Immundefekte variiert je nach Typ des Defekts. Mögliche Optionen sind antimikrobielle Prophylaxe, Gabe von Antikörperpräparaten (Immunglobulinsubstitution), Knochenmarktransplantation und in sehr seltenen Fällen Gentherapie. Zusätzlich können Impfungen eine unterstützende Maßnahme sein. Welche Therapie im Einzelfall geeignet ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab.Vor der ersten Infusion hatte ich schon etwas Angst. Aber dann habe ich gemerkt, dass es eigentlich nur ein kurzer Pieks ist, der ein bisschen weht tut. Mama lobt mich jetzt immer und sagt, dass ich tapfer bin. Darauf bin ich auch stolz.
Mögliche Therapien:
Welche Therapie zum Einsatz kommt, muss im Einzelfall entschieden werden.
Immunglobulinsubstitution
Werden aufgrund eines Immundefekts die Immunglobuline – auch Antikörper genannt – in zu geringer Menge oder gar nicht produziert, müssen sie ersetzt werden. Dies erfolgt mit Antikörpern, die aus Plasmaspenden gesunder Spender gewonnen werden.
Plasma spenden – Leben retten
In Deutschland sind rund 16 000 Menschen auf Medikamente aus Plasma angewiesen. Plasma ist der flüssige Teil des menschlichen Blutes (ohne Blutzellen) und enthält u. a. wertvolle Antikörper. Viele Menschen mit angeborenen Immundefekten sind auf Plasmaspenden angewiesen. Denn Plasma ist der Rohstoff für die Produktion von Immunglobulinpräparaten, die sie regelmäßig erhalten. Ein Plasmapool aus mehreren Tausenden Spenden garantiert dabei ein breites Spektrum an unterschiedlichen Antikörpern. Das ist Voraussetzung dafür, dass sich das Immunsystem erfolgreich mit den unterschiedlichsten Krankheitserregern auseinandersetzen kann.
Rund 50-75 % der Menschen mit angeborenem Immundefekt benötigen eine Immunglobulinsubstitution. Die Behandlung mit Immunglobulinen erfolgt als Infusion – entweder intravenös, in die Vene (intravenous immunoglobulin, IVIg), oder subkutan, unter die Haut (subcutaneous immunoglobulin, SCIg).
Intravenöse Immunglobuline
Die intravenöse Infusion von Immunglobulinen hat sich über viele Jahre bewährt. Sie erfolgt regelmäßig im Abstand von drei bis vier Wochen unter ärztlicher Aufsicht entweder in einer Ambulanz, im Krankenhaus oder in einer Arztpraxis. Diese Art der Verabreichung dauert etwa eine bis mehrere Stunden.
Bei der intravenösen Gabe werden Immunglobuline direkt in die Vene verabreicht.
Subkutane Immunglobuline
Die subkutane Infusion zeigt eine vergleichbare Wirksamkeit wie die intravenöse Anwendung. Ein wesentlicher Unterschied ist, dass die subkutane Therapie selbstständig oder mit Unterstützung zu Hause durchgeführt werden kann. Da die Aufnahmefähigkeit des Subkutangewebes begrenzt ist, verabreicht man bei subkutaner Therapie im Vergleich zur intravenösen Therapie zumeist niedrigere Einzeldosen und verkürzt dafür die Abstände zwischen den Infusionen.
Die Heimselbsttherapie ermöglicht es Patienten, ihre Immunglobulin-Ersatztherapie selbstständig zu Hause durchzuführen, was mehr Flexibilität und Kontrolle über den Behandlungsplan gibt. Diese Therapie kann sowohl mit Pumpe als auch mit „Manual Push“ (manuelle Injektion) durchgeführt werden.
Infusion mittels Pumpe
Bei der subkutanen Gabe erfolgt die Verabreichung der Immunglobuline unter die Haut, meist mit Hilfe einer Pumpe. Verbreitet ist eine wöchentliche Anwendung, wobei die Infusionsdauer individuell unterschiedlich ist (häufig 1-2 Stunden).
Mehr Informationen zu dieser Art der Anwendung finden Sie hier.
Infusion mittels Manual Push
Für die Manual-Push-Methode wird keine Pumpe benötigt. Das Präparat wird direkt mit einer Spritze durch Drücken auf den Spritzenkolben injiziert. Die Methode eignet sich besonders für kleinere Immunglobulinmengen, die damit schneller verabreicht werden können. Bei größeren Mengen muss mit dieser Methode entsprechend häufiger appliziert werden, z. B. zwei- bis dreimal die Woche.
Mehr Informationen zu dieser Art der Anwendung finden Sie hier.
Verträglichkeit
Die Therapie mit Immunglobulinen ist in den meisten Fällen gut verträglich. Allerdings können bei manchen Patienten verschiedene unerwünschte Begleiterscheinungen auftreten, wobei am häufigsten Kopf-, Rücken- oder Gliederschmerzen, Fieber, Schüttelfrost, grippeähnliche Symptome, Hautausschlag sowie Reaktionen an der Einstichstelle genannt werden. In selteneren Fällen können auch schwerwiegendere Reaktionen auftreten. Häufigkeit und Ausprägung der Nebenwirkungen hängen auch davon ab, ob intravenös oder subkutan infundiert wird.
Weitere Informationen zur subkutanen Infusion finden Sie hier.Prophylaktische antimikrobielle Therapie
Um das erhöhte Infektionsrisiko von Menschen mit angeborenem Immundefekt zu verringern, können vorsorglich antimikrobielle Medikamente eingenommen werden. Das sind Substanzen, die sich gegen Mikroorganismen wie Bakterien, Viren und Pilze richten. Eine solche prophylaktische Gabe wird nicht bei einer akuten Infektion eingesetzt, sondern zur Vorbeugung. Problematisch dabei ist, dass Mikroorganismen bei längerer Anwendung gegenüber diesen Medikamenten resistent werden können.
Antibiotika
Antibiotika sind Medikamente zur Behandlung bakterieller Infektionen. Sie werden sowohl bei milden als auch schweren Immunschwächen vorbeugend angewendet. Bei einem selektiven Immunglobulin-A-Mangel beispielsweise kann eine tägliche Antibiotikaprophylaxe sinnvoll sein, wenn die Patienten über stets wiederkehrende Infektionen klagen.
Antivirale Substanzen
Antivirale Substanzen – auch Virostatika genannt – verhindern die Vermehrung von Viren im Körper. Menschen mit dem Wiskott-Aldrich-Syndrom sind anfällig für Infekte durch Bakterien, Viren und Pilze. Daher kann neben der Gabe von Antibiotika die Gabe von Virostatika helfen, Infektionen vorzubeugen.
Antimykotika
Antimykotika werden zur Behandlung von Pilzinfektionen angewendet. Mit Pilzen sind hier einzellige Organismen wie z. B. Candida – ein Hefepilz – oder Aspergillus – ein Schimmelpilz – gemeint. Menschen mit eingeschränktem Immunsystem haben ein erhöhtes Risiko für Pilzinfektionen. Besonders invasive Varianten, die verschiedene innere Organe betreffen können, verlaufen oft sehr schwer. Daher kann in Abhängigkeit von dem angeborenen Immundefekt (z. B. bei der chronischen Granulomatose) prophylaktisch ein Antimykotikum eingenommen werden.
Knochenmarktransplantation
Gentherapie
Impfungen bei angeborenen Immundefekten
Die Vorbeugung von Infektionen durch Impfungen ist ein wichtiger Pfeiler der Behandlungsstrategie angeborener Immundefekte. Die Impfungen müssen immer in Rücksprache mit den behandelnden Ärzten geplant werden. Denn nicht jede Impfstoffart ist für jeden angeborenen Immundefekt geeignet. Lebendimpfstoffe enthalten vermehrungsfähige Erreger, die bei ausgeprägten Immundefekten schwere Infektionen mit Beteiligung lebenswichtiger Organe hervorrufen können. Sie sollten daher bei Menschen mit Immundefekt nur in begründeten Ausnahmefällen eingesetzt werden. Totimpfstoffe hingegen enthalten keine vermehrungsfähigen Erreger und können daher prinzipiell auch bei Immundefektpatienten verwendet werden. Allerdings kann die Schutzwirkung der Impfung durch Art und Schwere des angeborenen Immundefekts beeinträchtigt werden, denn eine unzureichende Immunantwort ist Teil des Krankheitsbildes.
Lebendimpfstoffe:
Der Impfstoff enthält abgeschwächte Erreger, die sich noch vermehren können.
Beispiel: Masern-Mumps-Röteln-Impfung
Totimpfstoffe:
Impfstoff, der tote Krankheitserreger bzw. nur Bestandteile des Erregers enthält.
Beispiel: Hepatitis-A-Impfung
Trotz des möglicherweise abgeschwächten Impferfolges bei Menschen mit angeborenem Immundefekt sind Impfungen wichtig, und das gilt auch unter einer Therapie mit Immunglobulinen. Durch eine Immunglobulinsubstitution wird zwar ein guter Schutz gegen eine Vielzahl von Erregern erreicht, denn die Immunglobulinpräparate enthalten die verschiedene Antikörper aller Spender und somit ein sehr breites Spektrum. Allerdings reicht das zu Beginn einer neuen Grippesaison oft nicht ganz aus. Die Grippe-Impfstoffe (die keine Antikörper, sondern Virusbestandteile enthalten) werden jede Saison an die jeweils aktuelle epidemische Situation angepasst und sind in der Regel gegen die aktuellen Virusstämme wirksam. Bei Immunglobulinen dagegen ist zu bedenken, dass die Verarbeitung der Plasmaspenden zu einer gebrauchsfertigen Immunglobulinlösung mindestens sechs Monate dauert. Das hat zur Folge, dass im fertigen Präparat in der Regel zwar Antikörper gegen die Grippeviren der letzten Saison vorhanden sind, jedoch nicht unbedingt gegen diejenigen der aktuellen Saison. Deshalb wird Patienten mit angeborenem Immundefekt empfohlen, sich jährlich gegen die Grippe impfen zu lassen. Menschen mit Immundefekt wird grundsätzlich auch empfohlen, sich gegen COVID-19 impfen zu lassen, wohl wissend, dass die Impfantwort höchstwahrscheinlich schwächer als bei Immungesunden ausfällt oder sogar ganz ausbleibt. Links zu den diesbezüglichen Empfehlungen verschiedener Fachgesellschaften finden Sie in den weiteren Informationen. Ein weiterer wichtiger Punkt in der Vermeidung von Infektionen bei Betroffenen besteht darin, die regelmäßigen Kontaktpersonen zu impfen. Diese sollten alle von der STIKO (Ständige Impfkommission) empfohlenen Impfungen erhalten. Bei der Grippe-Impfung muss darauf geachtet werden, dass ein Totimpfstoff verwendet wird, um die Übertragung von Impfviren auf immungeschwächte Menschen in jedem Falle zu vermeiden.