Immunglobuline
Eine Möglichkeit der Therapie von primären Immundefekten ist die Substitution mit intravenösen oder subkutanen Immunglobulinen.
Immunglobulinsubstitution
Bei der Immunglobulinsubstitution werden Patienten mit gepoolten polyvalenten Immunglobulinen von über 1000 gesunden Plasmaspendern behandelt. Eine regelmäßige Immunglobulinsubstitution reduziert die Infektionsrate und den Antibiotikabedarf von Betroffenen. Sie kann intravenös oder subkutan verabreicht werden.[27] Für die Indikationsstellung einer Immunglobulinsubstitution ist eine gesicherte Diagnose der zugrundeliegenden Erkrankung Voraussetzung.[27] Entsprechend der veröffentlichten Datenlage werden PIDs in solche mit erwiesenem, wahrscheinlichem, möglichem und unwahrscheinlichem Nutzen einer Immunglobulinsubstitution unterteilt (Tabelle).[27] Vor Beginn der Therapie müssen Patienten und ggf. deren Angehörige über die Diagnose, die voraussichtliche Therapiedauer und mögliche Komplikationen aufgeklärt werden.[27] Nutzen einer IgG-Substitution laut Leitlinie [27] | |||
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erwiesen | wahrscheinlich | möglich | unwahrscheinlich |
Agammaglobulinanämie | Hypogammaglobulinämie mit normaler Impfantwort und pathologischer Infektionsanfälligkeit | IgG1-3-Subklassenmangel / kombinierter IgA/IgG-Subklassenmangel | Selektiver IgA-Mangel |
Hypogammaglobulinämie mit eingeschränkter Impfantwort (z. B. Hyper-IgM-Syndrom, CVID) | Spezifischer Antikörpermangel z. B. gegen bestimmte Pneumokokken-Polysaccharide | Transitorische Hypogamma-globulinämie des Kleinkindalters | Selektiver IgM-Mangel |
Ausgewählte monogenetische PID mit quantitativer und / oder qualitativer Störung der Antikörper | IgG4-Subklassenmangel | ||
Bei Antikörpermangelerkrankungen mit zusätzlichem zellulären Immundefekt (X-linked Hyper-IgM-Syndrom, kombinierte Immundefekte (CID) etc.) ist eine alleinige Antikörpersubstitution nicht ausreichend. Es soll die Überweisung an ein Zentrum mit Erfahrung in Diagnostik und Behandlung primärer Immundefekte und ggf. Stammzelltransplantation erfolgen.[27]
Intravenöse Immunglobuline
Die intravenöse Gabe von Immunglobulinen (IVIg, intravenous immunglobulin) hat sich über viele Jahre bewährt. Sie ist in Deutschland nur für die Infusion unter ärztlicher Aufsicht zugelassen und muss daher in einer Klinik, Ambulanz oder Praxis durchgeführt werden, die mit dieser Therapieform vertraut ist.[27] Die Verabreichung erfolgt in regelmäßigen Abständen von drei bis vier Wochen und dauert eine bis mehrere Stunden.
Subkutane Immunglobuline – Heimselbsttherapie
Die subkutane Infusion zeigt eine vergleichbare Wirksamkeit wie die intravenöse Anwendung. Ein wesentlicher Unterschied ist, dass die subkutane Therapie selbständig oder mit Unterstützung zu Hause durchgeführt werden kann. Hierbei wird das Präparat mittels Infusionspumpe oder manueller Injektion („Manual Push) infundiert.
Da die Aufnahmefähigkeit des Subkutangewebes begrenzt ist, verabreicht man bei subkutaner Therapie im Vergleich zur intravenösen Therapie zumeist niedrigere Einzeldosen und verkürzt dafür die Abstände zwischen den Infusionen.
Infusion mittels Pumpe
Bei der subkutanen Gabe erfolgt die Verabreichung der Immunglobuline unter die Haut meist mit Hilfe einer Pumpe. Verbreitet ist eine wöchentliche Anwendung, wobei die Infusionsdauer individuell unterschiedlich ist (häufig 1-2 Stunden).
Infusion mittels Manual Push
Für die Manual-Push-Methode wird keine Pumpe benötigt. Das Präparat wird direkt mit einer Spritze durch Drücken auf den Spritzenkolben injiziert. Die Methode eignet sich besonders für kleinere Immunglobulinmengen, die damit schnell und einfach verabreicht werden können. Bei größeren Mengen muss mit dieser Methode entsprechend häufiger appliziert werden, z. B. zwei- bis dreimal die Woche. Bei der subkutanen Gabe werden die Immunglobuline werden über das lymphatische System aufgenommen und in die Blutbahn eingeschwemmt. Diese Therapieoption zeigt einen gleichwertigen therapeutischen Effekt zu IVIg. Ein Vorteil der subkutanen Applikation sind weniger systemische Nebenwirkungen [42], dafür treten lokale Reaktionen bei SCIg häufiger auf.[19] Sie sind aber zumeist mild oder moderat und nur selten schwer.[19,53] Kein schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis während der europäischen Zulassungsstudie war auf das Arzneimittel zurückzuführen.[19] Zu den häufigsten unerwünschten Arzneimittelwirkungen gehören Kopfschmerzen, Schwindel, Migräne, Hautausschlag sowie Übelkeit und Erbrechen.[12] Da die Anwendung von SCIg – nach eingehender Schulung durch Fachpersonal – als Heimselbsttherapie zugelassen ist, kann die Behandlung flexibel in den Alltag integriert werden und ist ortsunabhängig auch auf Reisen einsetzbar. Das kann zu einer verbesserten Lebensqualität führen.[19] Pro Infusion wird eine kleinere Menge an Immunglobulinen als bei intravenöser Verabreichung gegeben. Die Abstände, in denen infundiert wird, sind daher kürzer und können zwischen einem Tag und bis zu zwei Wochen liegen. Die Infusionsdauer beträgt etwa eine bis zwei Stunden.[19]Die subkutane Immunglobulingabe erhöht die Autonomie des Patienten, da dieser die Applikation selbst durchführt.